Seit etwa drei Wochen probiere ich mich an der Shangri-La-Diät aus, oder besser: die Diät an mir. Ich hatte in Freakonomics1 über diese doch sehr seltsam anmutende Variante der Gewichtsreduzierung gelesen und war neugierig, ob das wirklich funktionieren kann. Bisher bin ich wenig erfolgreich und überlege, ob ich den Test vorzeitig abbreche.
Über die Shangri-La-Diät
Grundidee der Shangri-La-Diät (im folgenden SLD) ist die sogenannte Set-Point-Theorie. Diese besagt, dass jeder Mensch ein internes Idealgewicht hat, gegen das sein reales Gewicht immer streben wird. Wiegt jemand 50 Kilo, sein Set-Point liegt jedoch bei 60 Kilo, wird sein Körper versuchen, den Unterschied von 10 Kilo auszugleichen. Hungergefühl und Appetit nehmen zu, man isst mehr. Andersherum wird jemand, dessen Set-Point 10 Kilo unter seinem Realgewicht liegt, weniger Hunger verspüren und auf diese Weise automatisch weniger zu sich nehmen.2
SLD geht nun davon aus, dass der Set-Point keine feste Größe ist, sondern – abhängig von der Nahrungsaufnahme – variiert.
Zum einen sinkt er ständig. Zum anderen wird er durch Nahrungsaufnahme wieder angehoben. Angenommen der Set-Point sinkt in einer Zeit X um 1 Kilo und man isst in derselben Zeit so viel, dass er um 1 Kilo ansteigt, ergibt sich eine Differenz von 0; man hält das Gewicht. Hebt man den Set-Point dagegen lediglich um 0,8 Kilo an, beträgt die Differenz 0,2 Kilo; der Set-Point sinkt. Bestimmte Nahrungsmittel wirken sich nun mehr auf den Anstieg des Set-Point aus, andere weniger. Ernähren wir uns also dauerhaft von falschen3 , den Set-Point stark anhebenden, Produkten, verstärken wir unbewusst die Signale zur Nahrungsaufnahme, essen dadurch mehr und nehmen zu – bis wir den Set-Point erreicht oder überschritten haben. Ernähren wir uns dagegen von Dingen, die den Set-Point weniger stark anheben oder sogar stabil halten, nehmen wir ab oder halten unser Gewicht. Seth Roberts, Erfinder der SLD, behauptet nun, dass Nahrungsmittel mit starkem Geschmack ersteres tun, solche mit keinem oder wenig Geschmack letzteres. Zudem soll der Effekt davon abhängen, wie oft wir mit einer spezifische Geschmacksnote bereits in Kontakt gekommen sind.
Zustande kommt die unterschiedliche Beeinflussung durch die Verknüpfung von Geschmack und Kalorienaufnahme. Diese ist umso
stärker je präsenter das Nahrungsmittel ist. Schon kleine Abweichungen können dafür sorgen, dass ein Nahrungsmittel den Set-Point nicht anhebt. Den Grund für die Set-Point-Verschiebung sieht Roberts in der Nahrungssituation unserer urzeitlichen Verwandten. Für diese war die Verfügbarkeit hochkalorischer, geschmacksintensiver Kost ein Zeichen von Überfluß. In solchen Zeiten sorgte ihr Organismus auf natürliche Weise dafür, dass sie mehr zu sich nahmen (indem das Hungergefühl höher war). Herrschte dagegen Knappheit, sanken Appetit und Hungergefühl, der Mensch aß weniger ohne sich dabei schlecht zu fühlen.
Fertignahrung, wie sie heute weit verbreitet ist, die (1) reich an Geschmack ist, (2) immer identisch schmeckt und (3) häufig gegessen wird, erfüllt genau die Kriterien eines falschen Nahrungsmittels. Selbst zubereitete Mahlzeiten dagegen, die immer ein wenig in ihrer Geschmackszusammensetzeung variieren, heben den Set-Point wesentlich weniger an. Nahrungsmittel, die gar keinen Geschmack aufweisen, wirken sich nach Roberts sogar gar nicht auf den Set-Point aus. Nimmt man nur solche zu sich, kommt ausschließlich die ständige, natürliche Reduzierung zum Tragen.
Wie macht sich SLD diese Theorie nun zu nutze? Ganz einfach, sie sorgt dafür, dass man seinen Set-Point durch die Einnahme geschmacksneutraler Produkte weniger stark anhebt als der natürliche Rückgang ausmacht. Somit wird der interne Set-Point langsam gesenkt, man isst weniger. Geschmacksarme Nahrungsmittel – oder solche, die vom Körper so wahrgenommen werden – sind … Zuckerwasser und geschmackloses Öl. Roberts behauptet beispielsweise, dass die Süße der Zuckers nicht als Geschmack wahrgenommen wird. Klingt erstmal irre. Aber irgendwie auch interessant.
Selbstversuch
Nach kurzem Test habe ich mich für Öl entschieden. Zuckerwasser muss über einen längeren Zeitraum (30-60 Minuten) getrunken werden, damit der Blutzuckerspiegel nicht zu schnell ansteigt. Öl kommt auf den Löffel, in den Mund, und weg damit. Wichtig ist lediglich, dass man geschmacksarmes Öl wählt. Sonnenblumen- oder Rapsöl erfüllen dieses Kriterium. Alternativ kann man sich auch die Nase zuhalten und gleich nach der Einnahme den Mund mit Wasser ausspülen.
Um zu vermeiden, dass die Kalorien aus Öl und Zucker mit einem Geschmack assoziiert werden, muss die Einnahme mindestens 1 Stunde vor oder nach dem letzten Kontakt mit Geschmacksstoffen erfolgen. Dies beinhaltet auch Zahnpasta und ähnliches.
Je nach Ausgangsgewicht und angestrebtem Gewichtsverlust nimmt man zwischen 120 und 500 Kalorien pro Tag so zu sich. Dies entspricht 1 bis 4 Esslöffeln Öl. Wichtig ist, dass die geschmacklosen Kalorien nicht zusätzlich zur normalen Ration konsumiert werden, sondern einen Teil dieser ersetzen sollten. Wahrscheinlich lag da auch mein Fehler. In der Zeit, die ich bisher SLD ausprobierte, habe ich kaum darauf geachtet, wie viel ich zu mir nahm. In Kombination mit anderen Faktoren, die dafür gesorgt haben, dass mein Hungergefühl und Appetit jeden Elefanten hätten erblassen lassen, kam es bisher nicht zu Gewichtsverlust. Ganz im Gegenteil. XD
Aber gut, ein paar Tage sind noch zu bewältigen. Ich geh’s einfach langsamer an (nur 1 TL Öl pro Tag) und nehme mich zusätzlich etwas zusammen. Wenn’s nicht klappt, sollte ich vielleicht doch mal die Rohkostvariante in Erwägung ziehen. 😉
Ein paar interessante Aspekte hat SLD auf jeden Fall. Dazu beim nächsten Mal mehr.
- Deutsche Version: Freakonomics. Überraschende Antworten auf alltägliche Lebensfragen [↩]
- Ausgeklammert werden hier Essstörungen wie Frustessen oder Essen als Belohnungsmechanismus. [↩]
- Natürlich kann man keine Einteilung und falsche und richtige Nahrungsmittel vornehmen, denn prinzipiell ist kein Nahrungsmittel per se schlecht. Die Menge machts, ne? [↩]