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Schmerztagebuch

Als ich noch zur Schule ging – wir wohnten damals in einem dieser furchtbaren DDR-Plattenbauten – litt ich nicht selten unter Kopfschmerzen. Über Tage hinweg zu nichts zu gebrauchen, nach Linderung flehend, vegetierte ich vor mich dahin. Nun ist ja bekannt, dass Schmerzmittel dem Körper nicht unbedingt gut tun, gerade Kindern nicht, und das besonders dann, wenn man sie über einen längeren Zeitraum hinweg zu sich nimmt. Auch deshalb schickte meine Mutter mich zur stadtteil1ansässigen Kinderärztin, die mir nach Ausschluß körperlicher Ursachen den spannenden Auftrag gab, ein Schmerztagebuch zu führen. Akribisch hielt ich fortan den Zustand meines Kopfes im Kalender fest. Ein grüner Filzstiftpunkt für gute Tage, ein roter für leichte Beschwerden, zwei rote für starke Beschwerden, die sich aber noch aushalten ließen, und schließlich drei Punkte für die Horrortage, an denen nichts mehr ging und nur die kleinen weißen Tabletten noch halfen. Ob’s was gebracht hat? Nun, ich war zumindest beschäftigt, die Kopfschmerzen ließen irgendwann von alleine nach.

Im Nachhinein betrachtet war der Beschäftigungsaspekt dann auch der einzig positive. Und das Gefühl, wenigstens ernstgenommen zu werden. Richtige Ursachenforschung wurde jedenfalls nicht betrieben.

Warum ich das alles schreibe? Wahrscheinlich deshalb, weil mein Kopf sich heute verdammt matschig anfühlt. Mittlerweile kann ich schon abends voraussagen, wie der nächste Tag anfangen wird. Es beginnt mit einem leichten Druckgefühl im Hinterkopf und einem seltsamen Ziehen in den hinteren Halsmuskeln. Genau dort, wo der Schädel beginnt. Ein ekelhaftes Ziepen, das langsam zu einem Reißen wird und später in ein Stechen übergeht. Kein sonderlich gutes Omen und ein untrügliches Signal für baldiges Zubettgehen, um am nächsten Morgen nicht vollkommen unbrauchbar zu sein. Morgens dann das trügerische Gefühl, dass man davongekommen ist – für etwa 60 Sekunden. Der feste Vorsatz, kein Schmerzmittel zu nehmen. Verzweifelte Versuche, sich abzulenken, die Nackenmuskeln zu entspannen und den Schmerz zu verjagen. Espresso, viel Wasser, Dehnübungen, ein kurzes Nickerchen auf dem Weg zu Arbeit oder Vorlesung. Kurz vor Mittag dann die Kapitulation. Ein wenig warmes Wasser, die aufsteigenden Blubberblasen der sich auflösenden Sprudeltablette, der in die Nase steigt, der widerliche Geschmack auf der Zunge und schließlich – nach endlosen Minuten ohne Besserung – die Befreiung.

  1. heute nennt man diesen unseren Ex-Stadtteil nicht grundlos Ghetto []